"Reflexive Modernisierung" meint den Übergang von der Ersten, nationalstaatlich geschlossenen zu einer zweiten, offenen, riskanten Moderne generalisierter Unsicherheit und zwar in der Kontinuität kapitalistischer Modernisierung, die ihre national- und sozialstaatlichen Fesseln abstreift. Diese "Zweite Moderne" bedeutet einen "tektonischen" Wandel, Meta-Wandel: die Grundlagen und die im 18. und 19. Jahrhundert errichteten "transzendentalen" Selbstverständlichkeiten erodieren. Entsprechend müssen die gesellschaftlichen Grundlagen und die kategorialen Rahmungen der Wissenschaft geöffnet und umgebaut werden. Diese Umstellung der Basisprämissen hat auf drei Ebenen zu erfolgen: (1) Der gesellschaftlichen Leitideen und Programme; (2) Dem Realaprozeß (gesellschaftliche Lagen und Institutionen) und (3) der (wissenschaftlichen) Selbstbeobachtung der Gesellschaft (öffentlicher Diskurs). Diese theoriegeleitete Differenz zwischen Erster und Zweiter Moderne wird am Beispiel der Globalisierung verdeutlicht. (pre)
In seinen Untersuchungen zur "Zweiten Moderne" betont Beck die Ambivalenzen in ihrer Entwicklung. Der Beitrag vergleicht drei Klassiker der deutschen Soziologie, Tönnies, Simmel und Max Weber, die alle ein deutliches Bewusstsein hinsichtlich ihrer Auffassung dieser Ambivalenzen besaßen. Der Reiz des Vergleiches vor allem zwischen Beck und Tönnies liegt für den Autor darin, die Analogien zwischen frühen und späten Gesellschaftstheorien zu entdecken. Beck sieht diese Bezüge grundsätzlich auch. Was aber in seinen gelegentlichen historischen Rückblicken nicht deutlich genug wahrgenommen wird, ist die Überzeugung der Klassiker, wie sie besonders bei Tönnies zum Ausdruck kommt, dass der Fortschrittsgedanke für die Darstellung der modernen Gesellschaft nicht mehr passt. Statt dessen ist bereits bei den Klassikern der Sinn für die Kontingenz der Entwicklung wirksam. Beide, Beck wie Tönnies, wendensich jedoch gegen Denker des linearen Fortschritts. Tönnies sah diese Denkweise besonders exemplarisch im Werk von Spencer vertreten. Er schätzte Spencers Eintreten für ein aufgeklärtes Denken, aber er kritisierte die historische Naivität seines Evolutionsdenkens. Beck glaubt diese Denkrichtung über hundert Jahre später in den Modernisierungs- und Differenzierungstheorien des Strukturfunktionalismus zu erkennen. (ICA2)
Die Nähe beider Autoren zueinander zeigt sich in der Themenwahl und in den darin sich abzeichnenden Richtungen des Erkenntnisinteresses. Ein Gesamtpanorama der modernen Gesellschaft im Vergleich mit der traditionalen Gesellschaft findet sich bei beiden: Bei Tönnies in 'Gemeinschaft und Gesellschaft', bei Durkheim in dem Buch über die Arbeitsteilung, aber auch im Buch über den Selbstmord. Tönnies "Kritik der öffentlichen Meinung" und Durkheims "Elementare Formen der Religiosität" lassen sich ebenfalls in Verbindung bringen. Öffentliche Meinung ist für Tönnies das Analogon zur Religion unter den Bedingungen der modernen Gesellschaft. Für Durkheim sind in der Öffentlichen Meinung sakrale Momente enthalten. In beiden Fällen zeigt sich das Interesse an der obligatorischen Kraft kollektiver mentaler Zustände. Gemeinsam ist beiden Autoren die Intensität mit der sie sich der Grundlegung der Soziologie und der Bestimmung des Gegenstandsbereiches der Soziologie, also des Sozialen, widmen - Tönnies in den Vorworten zu "Gemeinschaft und Gesellschaft", in verschiedenen Abhandlungen, besonders z. B. im "Wesen der Soziologie" und anders als Durkheim noch einmal umfassend in seinem Spätwerk, in der "Einführung in die Soziologie"; Durkheim in den "Regeln der soziologischen Methode", deren Wurzeln ihrerseits zurückreichen in die Dissertation über Montesquieu und deren Grundgedanken ausgeführt und variiert werden in einer Vielzahl späterer Aufsätze, besonders zu Problemen des Kollektivbewusstseins. (ICF2)
Die Autoren wenden sich den ideologischen Effekten der "Globalisierungsdebatte" zu. Kern des Globalisierungsmythos ist, daß die vermeintlichen ökonomischen Anpassungszwänge (Internationalisierung der Märkte) das Ende gesellschaftsgestaltender oder sogar -verändernder Politik bedeuten. Die Verfasser bezeichnen die Globalisierungsprämisse im Sinne Bourdieus als "rationalisierte Mythologie" und charakterisieren sie als neue Form des Ökonomismus unter neokonservativem ideologischen Deckmantel unter der Herrschaft der internationalen Finanzmärkte. Allerdings bewegt sich der Neokonservatismus in dem prozessierenden Widerspruch zwischen Marktliberalismus und Kulturkonservatismus. Im folgenden "entmythologisieren" die Verfasser das Phänomen der Globalisierung. Zum einen bezeichnet es eine Veränderung in der gesellschaftlichen Betriebsweise, zum anderen wird die stärkere Ausrichtung des Wertschöpfungsprozesses auf eine internationale Arbeitsteilung durch eine neue Dimension und Rolle der Finanz- und Kapitalmärkte ermöglicht. Folglich muß die verteilungspolitische Debatte mit dem Ziel der Zurückdrängung der Hegemonie des Finanzkapitals und der politischen Priorität der Beschäftigungspolitik "vor dem Rentiers-Fetisch der Geldwertstabilität" geführt werden. (ICC)
Die sich abzeichnenden neuen Konturen der Gegenwartsgesellschaft, die sich als Nebenfolge globalisierter und radikalisierter Modernisierungen herauskristallisieren, können theoriediagnostisch als Zweite Moderne begriffen werden. Im Inneren des alltäglichen Lebens kommt es zu einer Kosmopolitisierung, die sich jedoch noch nicht im Bewusstsein der Menschen widerspiegelt. Auch der größte Teil der Soziologie hängt noch den Regeln eines methodologischen Nationalismus an. Daher wird die objektive Transformation der gesellschaftlichen Verhältnisse zu Beginn des 21. Jahrhunderts sowohl auf der Ebene des sozialen Bewusstseins als auch auf der der soziologischen Methodologie unangemessen reflektiert. Weltwirtschaftliche Globalisierung führt zu einer Rekonzeptionalisierung von Macht und Herrschaft. Die kosmopolitische Selbsttransformation von Politik und Staat äußert sich in Staatsstrategien zwischen Renationalisierung und Transnationalisierung, die zur Zielscheibe von Strategien zivilgesellschaftlicher Bewegungen werden. (ICE2)
Medien, Pädagogen und Soziologen wissen es schon lange: die heutige Jugend ist unpolitisch. Und insbesondere in Wahljahren nimmt das Lamento kein Ende: "die heutige Jugend - keine Werte, kein politisches Engagement. Mit denen ist kein Staat zu machen." Auf der Basis der Theorie der reflexiven bzw. Zweiten Moderne stellt der Autor eine Sichtweise vorstellt, in der Jugendliche als "politische Privatiers" betrachtet werden. Sie legt nahe, daß die Jugendforschung erneut ihr Instrumentarium überarbeiten muß, um veränderungssensitiv auch eine Politik in anderen, dem institutionenfixierten Blick unsichtbaren, Formen erkennen zu können. Nach einer Illustration dieser neuen Form einer jugendlichen Alltagspolitik in verschiedenen Bereichen werden abschließend einige Bemerkungen zur Politik des Labeling mit "politisch" bzw. "unpolitisch" gemacht. (pre)
Medien, Pädagogen und Soziologen wissen es schon lange: die heutige Jugend ist unpolitisch. Und insbesondere in Wahljahren nimmt das Lamento kein Ende: "die heutige Jugend - keine Werte, kein politisches Engagement. Mit denen ist kein Staat zu machen." Auf der Basis der Theorie der reflexiven bzw. Zweiten Moderne stellt der Autor eine Sichtweise vorstellt, in der Jugendliche als "politische Privatiers" betrachtet werden. Sie legt nahe, daß die Jugendforschung erneut ihr Instrumentarium überarbeiten muß, um veränderungssensitiv auch eine Politik in anderen, dem institutionenfixierten Blick unsichtbaren, Formen erkennen zu können. Nach einer Illustration dieser neuen Form einer jugendlichen Alltagspolitik in verschiedenen Bereichen werden abschließend einige Bemerkungen zur Politik des Labeling mit "politisch" bzw. "unpolitisch" gemacht. (pre).
"Zurzeit entstehen in großer Zahl gemeinschaftliche Wohnprojekte, vorzugsweise in innerstädtischen, verdichteten, urbanen Quartieren. In diesen Wohnprojekten leben Einzelpersonen, Paare oder Familien in neuen Gemeinschaftsformen, die die Autonomie der einzelnen Projektpartner wahren, in denen aber auf der Basis verabredeter Kooperation wechselseitige Unterstützungen und Hilfen gewährleistet werden, wie sie traditionell die Familie oder, in der industriellen Moderne, formale Institutionen erbringen. Diese Kooperationen können von gemeinsamen Freizeitaktivitäten bis zu substanziellen Hilfen in Krankheitsfällen, im Zweifelsfall bis zur dauerhaften Pflege und Sterbebegleitung reichen. In dieser Kooperation überwinden gemeinschaftliche Wohnprojekte die Barrieren zwischen Polarisierungen der Ersten Moderne durch neue, eine Zweite Moderne kennzeichnende Übergangsformen zwischen privat und öffentlich, Haushalt und formaler Institution, zwischen Empathie und Distanz, ohne jedoch diese Gegensätze nach herkömmlichen Gemeinschaftsvorstellungen aufzulösen." (Autorenreferat)
In: Discussion Papers / Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, Forschungsschwerpunkt Organisationen und Wissen, Abteilung Innovation und Organisation, Band 2007-104
"Ein hoher Grad von Urbanität und Mobilität ist ein zentrales Charakteristikum moderner Gesellschaften. Ihre konkreten Erscheinungsformen sind einem ständigen Wandel unterworfen. Angefangen mit der Fußgängerstadt über die Stadt der Straßenbahnen bis zur autogerechten Stadt, hat sich das Verhältnis von Urbanität und Mobilität immer wieder neu gestaltet. Dieser äußere Wandel ist Ausdruck veränderter sozialer Verhältnisse, die sich insbesondere in individuellen Verhaltensweisen spiegeln. Anhand der Residenzwahl lässt sich die soziale Figuration von Urbanität und Mobilität studieren. Ihr Verständnis bildet eine wichtige Grundlage, um die zukünftige Siedlungs- und Verkehrsentwicklung realistisch einschätzen zu können. Die Arbeit stellt einen Begründungszusammenhang für die zukünftige Erforschung der Wohnstandortwahl von Menschen in der Zweiten Moderne her." (Autorenreferat)